Essens kürzeste Bahnstrecke

Wenn man noch Anfangs der 70iger über Essens B224 an der Gruga vorbeifuhr und an der Brücke, sofern es der Verkehr zuließ nach links oder rechts schaute,
konnte man dort noch mehrspurige Gleisanlagen sehen,
die in einen großen Güterbahnhof verzweigten,
den Güterbahnhof Rüttenscheid.
   
     
Modellbahnerisch betrachtet war ich zu damaliger Zeit
leider auf einem anderen Trip.
Modellbahn interessierte mich in diesem Jahrzehnt nur noch
um Vaters Hobby zu unterstützen.
Wenn ich nicht gerade durch das Ruhrgebiet fuhr, um ihm irgendwelche Zahnräder oder Motore für "unsere" Bahn zu besorgen,
dann baute ich entweder an unserer Infrarot-Mehrzugsteuerung, Märklinisten wussten zu dieser Zeit noch gar nicht wie man Mehrzugsteuerung buchstabiert,
oder aber ich baute an meinen 6kg-Rennsurfbrettern,
wenn ich nicht gerade dem weiten Thema Wein, Weib und Gesang nachging.
 
   
Hätte es damals schon kleine Digitalkameras gegeben, stünden hier jetzt tolle historische Fotos ein. Oft stand ich auf der Brücke,
aber zum Fotografieren hatte es irgendwie nie gereicht.
Es war aber wohl auch ein monetäres Problem, ich stand damals in der Ausbildung, die ich selbst finanzierte,
meine Rennbrettchen waren schon teuer genug.
   
     
  Schaut man heute im August,
zu dieser Zeit ist immer das traditionelle
Gruga-Sommerfest, von der Brücke nach unten,
dann bietet sich einem das links stehende Bild.

Die alte Bahntrasse kann man,
wenn man das Bild von früher im Kopfe hat,
gerade noch erahnen.

     
  Geht man hinunter und weiter in Richtung Osten
und lässt man auch den Sommer-Fest Bereich
mit seinem riesigen Trödelmarkt hinter sich, sieht es so aus.

 

 

 

 

 

 

 

Würde man im Spätherbst hier entlang gehen,
und vom Betrachter aus gesehen nach rechts sehen,
durch das Laub der Bäume verdeckt, die damals hier
nur vereinzelt standen,

     

 

  und hätte man eine Zeitmaschine,
dann böte sich einem dieses Bild.

 

 

Rechts ist der Verlag mit Druckerei Girardet,
die ich gut in Erinnerung habe.
Einerseits wegen liebenswerter Menschen,
die mit Verlag und mir eng zu tun hatten,
andererseits wegen der gegebenen
Nachhilfestunden in Sachen "Mathematik",
die nicht unbeträchtlich weite Strecken
meiner Ausbildung mitfinanzierten.

 

Verlag und Druckerei Girardet,
die für mich damals das beste Mathe-Lehrbuch
für die Mittelstufe überhaupt verlegten, gibt es heute nicht mehr,
ebenso wie die Bahntrasse der Vergangenheit angehört.

 

     
  Die historische Fassade wurde in weiten Teilen erhalten,
das Gebäude ausgehöhlt, es wurde angebaut,
unten wurde Gastronomie angesiedelt,
darüber eine Galerie mit Geschäften,
deren Betreiber ständig wechseln.

Einen Hauch von den Schienen, die hier einmal lagen,
rechts im Vordergrund,
sind noch bis zur Neugestaltung des Bodenbelages verblieben.

 

 

 

 

 

 

 

 

     
  Gehen wir in unserer Zeitreise in der gleichen Richtung ein paar Meter weiter.

Die B224 hat übrigens ihren historischen Ursprung in der Tatsache, dass die Alliierten das Gelände mit dieser Straße
bewusst zerschnitten.

Geradeaus ist das Heizkraftwerk Rüttenscheid,
das noch bis in die 70iger über den Schienenweg mit Brennstoff versorgt wurde.

Man kann nachvollziehen, wie viele Weichen hier nach links verzweigten, das gesamte Terrain war ein einziger riesiger Güterbahnhof.  Gehen wir also nach links,

     
  und laufen ungefähr 3 Minuten auf alten "Gleisen" weiter.


Die Laternen , die früher den Güterbahnhof beleuchteten, erhellen des Nachts heute den Busbahnhof
zu Gruga Messezeiten.
Der Rest der riesigen Fläche dient
vorläufig als Behelfsparkplatz.

Am Rande siedelt sich Kleingewerbe an.

     
  Drehen wir uns noch einmal kurz
um und betrachten wir den Abzweig
nach dem Girardet-Haus,
schauen auf den
imaginären Bahnhof.

 

 

 

 

 

 

 

 

Drehen wir uns wieder um, gehen noch ein paar Schritte weiter und senken den Blick nach unten, damit wir nicht stolpern:

     
  Abgeschnitten.
     
  Kann mir bitte jemand erklären, warum hier ein Signal steht?

Auf das Stückchen Gleis könnte man mit
Ach und Krach einen Breuer stellen!!

Damit der sich nicht verfährt, sind dann die Ketten am Ende statt zweier Prellböcke.

Ich erinnere mit noch gut, dass ich oft verzweifelt an der Lichtanlage, die  früher den Straßenverkehr gern zum Erliegen brachte stand und verzweifelt auf die Uhr sah, weil ich durch das enge Zeitraster, alle 60 Minuten eine neue Nachhilfestunde in anderem Hause, komplett aus dem nachmittäglichen Takt geriet.

Heute würde ich gern eine Viertelstunde warten, und wäre mit diesem Wunsch bestimmt nicht allein.

Würden wir weiter gerade aus gehen,
und unsere Zeitmaschine wieder einschalten,
dann böte sich das nachfolgende Bild.

 

     
  Ich sollte doch die Batterien in der Zeitmaschine erneuern,
bis dahin muss man sich eben die vielen anderen Gleise,
links und rechts, dazu denken.

 

Sehen wir also mit leeren Batterien einmal zurück auf den ehemaligen prächtigen Rüttenscheider Güterbahnhof.

 

     
  Ungefähr eine Querstraße weiter:

Rommenhöller wird mit Kohlensäure-Wagen beliefert,
ob diese hier voll sind oder zum Befüllen gerade hinrangiert werden, wird sich im Nachhinein wohl nicht mehr klären lassen.

Auch an diesem Übergang hatte ich oft ungeduldig gewartet, aber nie fotografiert.

 

     
  Verflixt,

da fällt mir doch ein, ein paar Meter nach links,
Veronikastraße,
da war doch damals diese Szenenkneipe,
wo ich so manches Glas Wein ...

... und am nächsten Tag mein Auto in den angrenzenden Straßen suchte ...

     
  Meine Freundin war damals gerade süße 20
und ich ging langsam auf die 30,
wir trafen uns dort oft, 
Zeitmaschine, wo bist du ??

 

 

 

Also biege ich nach links in die Veronikastraße ein,
ein paar Meter weiter war doch dieses Haus Mühlmann.
Auch später noch, als die jugendlichen Exzesse weniger wurden, trank ich, der Weg führte direkt daran vorbei,
nach Arbeitsende dort gern noch ein Glas Wein,
bei 1,0 Promille-Grenze durfte man sich das damals erlauben, um dann mit dem Auto, ohne es stehen zu lassen,
endgültig nach Hause zu fahren.

 

     
  Es gibt sie nicht mehr, diese damals gut besuchte Eckkneipe,
in der immer etwas los war.

Ich sehe die offene Tür, betrete die Räumlichkeiten,
frage nach der alten Eckkneipe.
Innen vollkommen modernisiert, betonte Kühle,
wirklich gut gemacht, ein Schönheitsstudio oder dergleichen.
Das alte Flair ist natürlich futsch.

Die Kneipe gibt es schon lange nicht mehr, erfahre ich.
Einen Augenblick bin ich etwas traurig.
Auf dem Heimweg schweifen die Gedanken noch etwas
um die Zeit von damals,
alles hat sich verändert, ich mich wohl auch,
vergesse darüber den Bauch einzuziehen oder auch nicht,
bis mich der Straßenverkehr in die Gegenwart zurückholt.